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 27. September 2023
femtiofem und mir stinkts!

Am Montag durfte ich für zwei Tage nach Zürich. In die grosse Stadt. Ich weiss, dass ich in Zürich als Landei
durch gehe. Diesem diskussionslos gegebenen Umstand gewahr, trete ich
in der Regel in Zürich bewusst als ein als Landei gelesen werden
wollender auf. Damit komme ich normalerweise in der grossen Stadt mehr
als gut über die Runden.
Während meines Umsteigehalts in Bern an der Bahnsteigkante
stehend, rief ich mir diese Gewissheit in Erinnerung und starrte dazu
in das Räderwerk des einfahrenden Zuges (ankommend aus Genf).
Plötzlich wollte es mir glatt meine Nägel
zurückrollen. Durch meine von der sauberen Landluft frisch
belüfteten Nase wehte ein giftgasähnlicher Wind. Der
todbringende Duft musste vom einfahrenden Zug hergebracht worden sein,
denn als sich Sekunden vorher zu beiden Seiten noch das leere Gleis vor
mir ausbreitete, lag nichts in der Luft. Weder der ausgeblasene erste
Zug einer Zigarette, noch Urin, noch Lavendel. Die Luft war exakt
neutral, wie es die leider viel zu früh verstorbene
Françoise Cactus in einem mir lieb gewonnen Lied sang.
Es roch, als hätte der Teufel höchstselbst alle Jauchegruben
der Schweiz in einem Topf zusammengekippt, auf dem Krisenherd zum
Siedepunkt gebracht und per Ohrfeigenkarussell in die Menschheit hinein geschleudert.
Als der Stinkezug endlich zum Stehen kam, war meine Lebensfreude dahin
und ich wollte sterben. Für einen Bruchteil einer
Zehntelsekunde sehnte ich mich danach, rechtsufrig der Wupper, zusammen
mit Françoise Cactus die Laute zu schlagen. Diese Sehnsucht
hielt nicht lange an und bald schon überlegte ich, mich in die
haargenau vor mir stehende Kupplungsstelle der beiden Zugsteile ins
Gleis zu erbrechen. Ich entschied mich aber dagegen und riss mich und
meine aus dem Magen führenden Schläuche mithilfe den mir zur
Verfügung stehenden Suggestionskräfte zusammen.
Ich stieg letztlich in der Hoffnung,
dass in der vorderen Zugshälfte lediglich einer der
Bio-Behälter für Fäkalien leck geschlagen war,
vorsichtshalber in die von Visiteurinnen und Visiteuren
zusammengestellte hintere Zugskomposition ein und verliess den
schrecklichen Ort. Ich hatte Glück, das Klima
in der hinteren Hälfte des Zuges gab keinen Anlass zur
Beanstandung. Die Fahrt nach Zürich verlief entspannt und ohne
bemerkenswerte Zwischenfälle. Meine Vorfreude auf den
bevorstehenden Besuch in der grossen Stadt wuchs merklich und
durchdrang mich bereits in Olten wieder gänzlich.
Dass der Zug in Olten, Aarau und Lenzburg durchheizte, trug stark
dazu bei, dass sich meine gute Stimmung hielt. (Bizarre Sprache:
`Durchheizen` ergibt in Zusammenhang mit der auf sämtliche
Radachsen verteilten, elektronisch angeregten und elektromechanisch
ausgeführten Traktionskräfte, die in diesen modernen
Reisezügen, die zwischen Bern (Genf?) und Zürich verkehren,
überhaupt keinen Sinn mehr. Warum wir solche Ausdrücke aus
dem Dampfzeitalter nach wie vor gebrauchen und verstehen, ist mir ein Rätsel. Sind wir tatsächlich Steampunks oder bloss Steam Postpunks?)
In Zürich musste ich erneut umsteigen. Mit der S-Bahn ging es noch einen Steinwurf weit in die Aglo
raus. Auf dem letzten Drücker sprang ich in die bereits leicht
verspätete Bahn. In einem geräumigen Eisenbahnwagenvorraum
kam diesmal ich zum Stehen, lehnte mich in Landeimanier, aber dennoch
unauffällig an eine den Vorraum umgebende Glaswand. Durch die
Rennerei etwas ausser Atem geraten, keuchte ich noch eine Weile, bezog
aber ziemlich schnell wieder meine Nase mit in den Prozess
der Sauerstoffzirkulation ein. Und natürlich mit der damit
unweigerlich einhergehende Auswertung von Duftmolekülen der
Umwelt. Wie sich blitzartig herausstellte eine schlechte Idee. Eine
ganz schlechte. Meine Nase hatte das negative Erlebnis in Bern fast
schon vergessen und schien keine Traumata davongetragen zu haben. Dass
sie in diesem Vorraum der Züricher S-Bahn die nächste
olfaktorische Herausforderung zu meistern hatte, war zu viel des Guten.
Beim Aufsaugen der lebensfeindlichen Moleküle schrie sie
förmlich nach Sterbehilfe, wollte sich umstülpen in der
Hoffnung, den Wirtskörper – meine sterbliche Hülle
– rektal zu verlassen, um auf einer einsamen Insel noch ein paar
schöne Tage zu verbringen. Die Augen (Komplizen der Nase?) fingen
immédiatement wie Hölle an zu brennen und als Reaktion darauf Bäche von Tränen abzusondern.
Es gelang mir nur teilweise, die Augen zuzukneifen. Verglichen mit den
Mühen an der Augenmuskulatur riss ich zu meinem Erstaunen und zur
Entlastung der ersten und zweiten Röhre des Riechzapfens mein Maul weit auf, so als würde ich gähnen.
Diese Schonhaltung von Aug und Nas musste eine groteske Verzerrung
meines Landeigesichts zur Folge gehabt haben, ging aber bei den
Mitreisenden im Zug als unauffällig durch. Wenigstens für
zwei Sekunden. Denn dann begannen mich die ersten unverschämt
anzuglotzen. Ich sagte nichts. Erstens, weil mich sowieso niemand
gehört hätte – die hatten alle ihre Ohren mit
Geräten verstopft und hörten (wahrscheinlich laute Musik oder
liessen sich von Sprechmodels mit Sexystimmen die neue NZZ vorlesen)
und zweitens, weil ich ja mein Maul aufsperrend gähnen andeutete.
Als sich der Mob etwas beruhigt hatte, sortierte ich meine Gedanken
erneut und frug mich, wer von den Umstehenden heute Morgen im
Nitro-Universalverdünner gebadet haben musste. Denn es roch, ohne wenn und aber, stark nach nichts anderem als Nitro-Universalverdünner.
Ich erinnerte mich an die
mahnenden Worte unseres Lehrmeisters.
Sobald wir zu den Lösungsmitteln griffen, um zum Beispiel
Spermaspuren von den Burmaspeeren oder Filzschreiberspuren von den
Werkstücken zu entfernen, kam er angerannt, wollte wissen, ob wir
die nicht sonst wie wegkriegten und wenn nicht, bestand er darauf, dass
wir beim Hantieren mit Chlorothen oder Aceton stets Schutzhandschuhe
trugen. Wohlgemerkt, das war in den Achtzigerjahren des letzten Jh.
Krebserregend gab es damals nur von Dioxin oder beim Indieluftfliegen von Kernkraftwerken.
Aber heute - das moderne Leben in der Stadt: Bevor wir zur Arbeit
fahren, kurz den Kopf in die Bütte mit den Lösungsmittel
getaucht, Frisur schütteln und ab in die Bahn.
D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h
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