Am Mittwoch wurde bei uns Strukturschwächlingen in Thun die UEFA-Frauenfussballeuropameisterschaftsendrunde angepfiffen.
Im Prinzip wusste ich das natürlich, aber als einer, der medial
eher als Schläfer eingestuft werden darf, wurde mir dies erst am
Morgen desselben Tages auf meinem morgendlichen Oparundgang durch die
Gemeinde bewusst. Die Thuner Innenstadt (oder aus gegebenem Anlass wohl
eher: die Thunerinnenstadt. [öch, öch, dnjorp]) war mit
allerhand farbigem Dekorationsgedöns und grauen Betonblocks (Terrorabwehr?), sog. SwissBlocks verziert.
Auf einer Informationstafel war zu lesen, dass am Nachmittag um 15:15 ein Fanwalk von der Fanzone bis ins Stadium stattfinden werde.
Genug Zeit für mich in die Puschen zu kommen, herauszufinden, was
eine Fanzone ist und mich fantechnisch mit Jubelware einzudecken.
Da ich in meinem zarten Alter noch an keinem Fanwalk teilgenommen
hatte, ging ich entsprechend blauäugig, wenn nicht gar naiv an die
Sache heran.
Die Fussballfrauenteams aus Island (Island in the Stream – Dolly
Parton) und Finland (Finland – Michael Palin) wurden
angekündigt und sollten um 18 Uhr gegeneinander spielen und damit
das Endrundenturnier eröffnen.
"In Thun Leute - in meiner Stadt!"
Die Euphorie packte mich und ich sah mich bereits inmitten aller
euphorisch gepackten Thunerinnen und Thunern ins Stadion marschieren.
Dabei finnenfahnenschwingend
"Suomi Euroopan mestari kaksikymmentäviisi" brüllen. Dies unter
dem in den finnischen Nationalfarben verfärbten Thunerhimmel und
der saunaähnlichen Bruthitze schwitzend.
(Aus Sympathiegründen entschied ich mich dafür, für Finnland auf den Spaziergang zu gehen.)
Nun, es kam anders. Von den erwarteten Thunerinnen und Thunern waren um
15:15 am Rand der Kundgebung leider nur die Artgenossinnen der
fotografierenden Zunft und die Polente zu sehen. Ich marschierte, so
schien es zu Beginn, als einziger Eingeborener in einem Pulk von
Menschen, die sich ausschliesslich auf Finnisch unterhielten. Sozusagen
eingepackt in ein Meer von Finninnen.
Am Übergang zu den Fans der Isländerinnen tauchten
plötzlich vereinzelt auch noch andere Ortsansässige auf die
mitspazierten. Vorne war das Meer der Leute weiss gefärbt, drehte
man sich um, wurde es blau. Vergleichbar mit der Situation, wenn man in
der Nacht mitten in einem Stau steht: Schaut man nach vorne, sieht man nur rote Lichter, dreht man sich um, nur weisse.
Ernüchternd stellte ich aber vor allem fest, dass wir in Thun
solche Chancen zur Ausübung von Willkommenskultur zu verpassen
wissen.
Ich wage nach diesem Erlebnis
zu behaupten, dass Thun als Austragungsort der
UEFA-Frauenfussballeuropameisterschaftsendrunde keine bleibenden
Veränderungen erfahren wird. Weder negative noch die viel
besungenen positiven. Diejenigen, für die die
Werbetrommelschwingenden nicht müde werden, verbal bei jeder sich
bietenden Gelegenheit, die längstens blankgelutschte Vokabel
«Nachhaltigkeit» hervorzukramen, um sie achtlos in die
Waagschale der Daueraufmerksamkeit zu werfen.
Natürlich wünsche ich mir, dass die Finninnen das Turnier
gewinnen und den Pokal mit nach Hause nehmen. Und ich hoffe, dass sich
in den kommenden Jahren zur sommerlichen Urlaubsreisezeit ein Meer von
Sommerfrischlerinnen aus Finnland in Thun tummeln und zusammen mit mir
an den Staden des Thunersees die Luftgitarre spielen. Ich schätze aber,
dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird.
Das Anschauen des Spiels schenkte ich mir. Das Herumgegurke auf dem
Rasen finde ich eher öde und die zwei Stunden Lebenszeit, die
dafür aufgewendet werden müssten, zu wertvoll.
Ich schlich mich in die Pizzeria meines Vertrauens und bestellte eine Pizza-Fanzone mittlerer Grösse mit ohne scharf und genoss die Ruhe.
D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h