 17. März 2025
Kaputt digitalisiert
![[image]](../images/image72.jpg)
Wie einer Helge Reumann Dystopie entnommen, mutet der Chaletbunker an, den ich beim Blick aus meinem Zimmer sehen. Gleich, denkt man instinktiv, strömen aus dem betonierten Fundament Horden von mit Knüppeln oder Gewehren bewaffnete Mutanten heraus, um im angrenzenden Bergdorf irgendwelche Gegner zu erledigen.
Natürlich bin ich nicht in einer Helge Reumann Dystopie, sondern in meinem wohlverdienten Winterurlaub. Natürlich wie jedes Jahr im März, im ersten Frühlingsmonat in dem keine brätschkalten Eiswindpeitschen mehr durch die mikrofasrigen Softshell– und Merinoschichten hindurch an den rheumatischen Gliedern nagen, sondern bereits mit den ersten Frühlingssonnenstrahlen gerechnet werden darf und wo der Sonnenuntergang klar nach Pistenschluss statt findet.
Der im Internet gefundene, ausgewählte und bereits im alten Jahr gebuchte Hotelkomplex muss im vergangenen Jahr neu gebaut worden sein und gehört zu einer Hotelkette, die auch in anderen Wintersportorten Angebote anbietet. Zum Beispiel in Abu Dhabi, Haeso oder Méribel.
Das Hotel kommt ohne nennenswerte Personaldecke aus. Fast alles ist digital erhältlich. Wer der englischen Sprache (zu mindest in Brocken) nicht mächtig ist, oder nicht mit einem mobilen Telekommunikationsgerät ausgerüstet ist, hat hier nichts zu suchen. Wünsche bleiben keine offen. Zumindest aber ist niemand da, dem man sie zuflüstern könnte, oder der sich dafür interessieren würde.
Am Tag der Anreise erhielt ich per E–Mail meine Zugänge. Per Schaltfläche, einem sogenannten Slider konnte ich, von zu Hause aus, am Webbrowser meines Telefons die Türe zum Skiraum öffnen und schliessen oder die Temperatur der elektronischen Spülung so einstellen, dass sie meinen persönlichen Befindlichkeiten gerecht wird.
Tags darauf am Frühstücksbuffet dann der digitale Ober GAU. „Please wait and tell us your room number“ stand mit Kreide auf einer am Boden aufgestellten Schiefertafel, die den Zutritt zum Frühstücksraum versperrte.
Eine Angestellte fragte, nachdem ich ihr meine room number mitgeteilt hatte, ob ich denn das Frühstück auch gebucht hatte. Sie könne, sagte sie mir, nachdem sie eine Weile mit ihrem Zeigefinger auf einem Bildschirm herumgewischt hatte, nicht erkennen, dass dem so sei.
Klar hatte ich, war darum auch etwas irritiert über ihre Ansage. Frühstücken gehört bei mir zur Hotelübernachtung wie die Preiselbeerkonfitüre zum Wiener Schnitzel. Ein Buchreflex sozusagen. Hotels die kein Frühstück anbieten, haben bei mir keine Chance.
Sie buchte mir dann das Frühstück für die ganze Dauer meines Aufenthalts dazu. Staunend stückte ich darauf hin früh und frug mich, was ich wohl falsch gemacht hatte.
Später untersuchte ich meine Buchung und fand genau das bestätigt, was ich bereits glaubte zu wissen: Frühstück inclusive, mitgebucht und im Voraus bezahlt.
Am zweiten Morgen hatte ich zwar immer noch keine Ahnung was schief gelaufen ist, wusste aber, dass es nicht noch einmal passieren würde, da ja nun mein Frühstück für die Dauer meines Aufenthalts durch die nette Frau vom Vortag geregelt wurde.
Es stand nun ein Kollege am Eingang zum Frühsücksraum. Nachdem ich auch ihm artig meine Zimmernummer sagte, wischte auch er auf dem Bildschirm herum und fand meine Frühstücksbuchung angeblich nicht und das Spiel vom Vortag wiederholte sich.
Früher, in Frühstücksräumen von Hotels der goldenen Zeit vor der Digitalisierung gab es eine Liste auf Papier und wenn kontrolliert wurde, wer zum Frühstück erscheint, wurde auf dieser Liste mithilfe eines Kugelschreibers ein Vermerk gemacht oder die Zimmernummer durchgestrichen. Heute frage ich mich: Was zum Henker war daran falsch?
D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h
---------- Kommentare (0) - Etwas Senf dazu?
|