dringender Blödsinnalarm
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02. Januar 2016
schlechtes Obst
Am letzten Tag im Jahr rief mich unerwartet Crazy Horst, mein Freund aus Wedding
an. Ich hatte mich gerade für die bevorstehenden Feiertage in
meiner Wohnung eingeigelt. Von Frau Brutalo erhielt ich zu Weihnachten
die letzte Folge von Grand Theft Auto. GTA V. Sie selber wollte den
Jahreswechsel bei einer Freundin in der Nähe von Bologna feiern,
so dass ich - so war mein Plan - die vier Feiertage nutzen konnte die
gesamte GTA-Serie in einem Rutsch durchzuspielen. Die Vorbereitungen zu
diesem Vorhaben liefen bereits seit Tagen. Ich überliess nichts
dem Zufall. Der Kühlschrank war amtlich mit koffeinhaltigen
Süssgetränken bestückt. Zwei jungfräuliche
Flaschen vom besten Kentucky Bourbon aus dem Duty Free Shop um die
Ecke standen in Griffnähe vom Sofa bereit. Bereit, die Folgen von
spielebedingten Tiefschlägen aufzufangen. Ich hatte nicht im Sinn mich
in Situationen zu manövrieren, wo ich (nicht über Chance)
zurück zum Start gehen musste. Um nicht zu verhungern, bestellte
ich bei einem US-Versandhaus vierzig Packungen Mikrowellenpopcorn mit
Barbecue Aroma. Vom Nachbar borgte ich mir einen zweiten
Mikrowellenofen.. bloss für den Fall. Vier Tage sind eine lange
Zeit, das kennt man. Und es waren nicht vier gewöhnliche Tage, es
drohten vier Feiertage. Tage an denen nichts funktionierte. Tage, an
denen die Menschheit entweder besoffen nicht zu gebrauchen ist, oder
aber zu Hause an Lethargie und Atemstillstand krankt. Gerade
Mikrowellenofenmonteure sind da sehr gefährdet. Ich ging kein
Risiko ein und hatte an alles gedacht. An fast alles. Mit der Wucht
einer aufgebrachten Elefantenherde meldete mir das Aufleuchten des
Displays, dass ich vergessen hatte, mein Handy auszuschalten.
Crazy Horst stand auf dem Display. Ich hatte gerade die erste Disk
in die Konsole eingelegt, zum
Glück aber noch nicht mit dem Spiel angefangen. Also beruhigte ich
mich und ging ran. Horst hatte nach der Schule etwas Pech, als die
Claims abgesteckt wurden. Ich lernte ihn vor etwa zehn Jahren kennen.
Er war damals gerade dabei eine mehr als windige Sache aufzubauen. Eine
Handels-Companie die sich, um es mal vage auszudrücken, um Import
und Export "kümmern" wollte. Ging natürlich schief. Horst
verschwand und tauchte plötzlich in Berlin Wedding wieder auf. Er
arbeitet dort seither in einem Planungsbüro für
Elektroinstallationen und führt ein mehr als bürgerliches
Leben. Wedding Planer heisst das Büro. Ursprünglich als
originelle Idee gedacht, ist dieser Name heute, wo der Erfolg einer
Unternehmung direkt proportional abhängig vom Ranking der
Suchmaschinen ist, eine ernstzunehmende Bedrohung.
Horst klang verzweifelt. Er erzählte mir, dass er vor ein paar
Monaten eine nette Frau kennengelernt hatte, und dass am Abend bei ihr zu Hause eine Silvesterparty stattfinden werde, zu
der ein Duzend Leute eingeladen seien. Jeder bringt etwas zu essen mit.
Damit ich den Faden nicht verlor, musste ich seinen Redefluss dringend
etwas bremsen. Ich räusperte mich, was zu einer kurzen Redepause am
anderen Ende der Leitung führte. Ich nutzte die Gelegenheit und
beglückwünschte ihn zu seiner neuen Bekanntschaft.
Wollte sogleich mehr erfahren. Er erzählte mir, dass sie
aus gutem Hause sei, womit ich nichts anfangen konnte und
dass sie Friedensaktivistin sei. Die Gesellschaft, die am Abend erwartet
wurde, ernährte sich vegetarisch jedoch keine Milchprodukte oder
Eier. Er habe in letzter Zeit viel über alternative Ernährung
gelernt und dieser Frau zuliebe seinen Fleischkonsum drastisch
eingeschränkt. Ich warf salopp ein "Was macht man nicht alles
für die Liebe" in unser Gespräch ein, worauf er ins
Schwärmen kam und mir Details erzählte, von denen ich
eigentlich nichts wissen wollte. Abermals musste ich seinen Redefluss
stoppen.
Um nun nichts falsch zu machen, erklärte er, entschied er sich
für eine Nachspeise. Eine Creme aus pürierten Datteln
vermengt mit Sojasahne soll es werden. Ein orientalischer Touch kommt
sicherlich gut an, da aktuell bei Bemühungen der Friedensaktivisten
eigentlich nur Länder des Orients eine zentrale Rolle spielten.
Keine Nüsse, da mit entsprechenden allergischen Reaktionen zu
rechnen wäre. Der Grund warum er, Horst mich jetzt so kurz vor
Schluss noch anrufe liege keinesfalls in der Creme selber
begründet, die habe er bereits fertig. Die braune Farbe habe ihn
etwas erschreckt, so dass er sich überlegt habe, er könne die
Creme mit Hilfe von Granatapfelsamen etwas ansehnlicher machen, ja sie
sogar kulinarisch aufpeppen. Zu dem Zweck habe er sich eben zwei
Kaventsmänner von Granatäpfeln gekauft und stehe nun vor dem
Rätsel, wie damit umzugehen sei. Horst musste sich daran erinnert
haben, dass ich vor Jahren damit rumgeprahlt hatte, wie ich in null
Komma nichts einen Granatapfel
in seine Einzelteile zerlege. Ich hätte mich ohrfeigen
können, liess mir aber nichts anmerken und gab ihm entsprechende
Tipps.
Das Hauptproblem beim Schälen von Granatäpfeln sei das
Aufplatzen der Kerne. Schnell kann dadurch eine ziemliche Sauerei
entstehen. Im Scherz riet ich ihm, er soll sich zum Zerlegen der Frucht
gleich nackt in die Badewanne setzen. Das fand er nur bedingt lustig,
da in seiner Wohnung zum Zwecke der Körperhygiene nur eine
handtellergrosse Duschtasse ohne Vorhang zur Verfügung stehe. Ich
unterliess weitere Hinweise auf den Wohlstand, mit dem wir unser
dekadentes Leben in der reichen Schweiz versüssten, und
wünschte ihm gutes Gelingen und einen guten Rutsch.
Hastig schaltete ich mein Handy aus und startete mit zittrigen
Händen das Spiel. Ich wollte mich erst etwas warmspielen und so
nach einer Weile, die ersten Popcorns unter der Zuhilfenahme von
gezielten Schlucken aus einer der bereitgestellten Flaschen, der
Verdauung zuführen. Den Raum hatte ich vom schädlichen
Tageslicht abgeschirmt. Ich war bereit mich völlig von der Zeit zu
lösen und meine Aufmerksamkeit einzig dem Spiel zuzuwenden.
GTA soll angeblich voll von versteckten Anspielungen aus Kultur und Gegenkultur sein. In den vergangenen
Tagen lass ich mich durch alle einschlägigen Seiten. Einer der
Höhepunkte auf den ich mich besonders freute, war in GTA IV zu erwarten. Im Verlauf des Spiels soll man am Strassenrand
kurz eine hochschwangere Frau sehen, welche die Gesichtszüge von
Jennifer Lopez haben soll. In den Foren kochten damals die
Gerüchte über, dass Dan Houser - ein hohes Tier bei Rockstar
Games - und JLo ein Verhältnis hätten.
Ungestört von der Aussenwelt spiele ich mich wie geplant durch die
GTA-Folgen. Es gelang mir tatsächlich, jegliches Zeitgefühl
abzulegen. Ich schlief, wenn mich Müdigkeit überkam, folgte
willenlos dem Rhythmus, der mir mein Körper vorgab und die
Vorräte schwanden zusehends. Gelegentlich gönnte ich mir ein
Schluck vom Notfallbourbon auch ohne Notfallsituation. Das Spiel verlor
mit der Zeit auch tatsächlich etwas von seinem Reiz. Ich ertappte
mich dabei, unmotivierte Pausen einzulegen. Pausen, die ich nicht essend,
trinkend, oder auf der Toilette verbrachte. Ich wagte einen Blick nach
draussen und war überrascht, dass es heller Tag war. Ich
hätte schwören können es sei Nacht. Darüber,
die innere Uhr überlistet zu haben, war ich sehr glücklich
und ich wurde ein wenig euphorisch. Ich spielte und vergass dabei ganz
nach der schwangeren Lopez
Ausschau zu halten. Ich war bereits bei Chinatown Wars angelangt, als ich
mich frug, wie es wohl Crazy Horst ergangen war mit seinen Pommgranaten.
Ich schaltete mein Handy wieder ein und wählte seine Nummer direkt
aus der Anrufliste. Der Jahreswechsel musste längst vorbei sein
und der Bursche wieder ansprechbar.
Ich hatte keine Gelegenheit Grussworte anzubringen oder ihn zu fragen,
ob er den Rutsch ins neue Jahr gut überstanden habe. Bereits nach
dem ersten Klingelsignal ging er ran und schüttete seine
schlechte Laune über mich aus. Mir wurde schnell klar, dass die
Granatäpfel an allem Schuld waren. Horsts Worte waren etwas
verwirrend, aber offenbar hatte er sich zum Zerlegen der Früchte in
eine Ecke seiner Küche gesetzt, deren Wände mit Tapete
bekleistert sind, das heisst in eine Ecke, die in keinster Weise
abwaschbar ist. Es musste laut seinen Erläuterungen jetzt dort
aussehen wie nach einer Hausschlachtung.
Einer Hausschlachtung mit Komplikationen.
Ich dachte, ich hätte ihn im Vorfeld davor gewarnt, war mir aber
gerade nicht mehr so ganz sicher. Ich unterliess weiter Fragen zum
Thema Zubereitung, wollte unser Gespräch endlich in ruhigeres
Fahrwasser lenken. Schliesslich wohnte Horst ja vor allem in Berlin. Im
"richtigen" Berlin, nicht bloss im "Berlin der Schweiz". Berlin ist
das kulturelle Zentrum, wenigstens das der Deutschen Kultur, und da
gehört nun mal die Schweiz auch dazu, ob man will oder nicht. Tamihösi! Es wurde gerade ein
neues Jahr eingeläutet und GTA
hin oder her, wer wäre ich denn, wenn ich mich nicht
dafür interessieren täte, welche neuen Trends gerade umgehen?
Ich hatte gerade meinen Berichterstatter aus Berlin am Ohr und war auf
einmal hungrig nach Informationen.
Dass die Nachspeise aber sicherlich ein voller Erfolg gewesen sein
musste, vermutete ich nun mit gönnerhaftem Timbre in der Stimme.
Leider war das die falsche Strategie. Horst wurde laut: "Ein einziges
Desaster". Ich wollte wissen, was denn passiert sei. Ob einer der
Gäste eine allergische Reaktion gegen Granatäpfel gezeigt
habe. Ob er, Horst unter Zuhilfenahme des Schweizerarmeemessers welche
ich ihm zu seinem Vierzigsten geschenkt hatte, beherzt einen
Luftröhrenschnitt hätte vornehmen müssen. Er fuhr mir
übers Wort und erzählte mir die Fortsetzung der Geschichte
mit den maliziösen Früchten. "Pazifisten essen keine
Granatäpfel!" bellte es in meinem Ohr. Die Party war angeblich
bereits auf dem Höhepunkt, als Horst erschien. Die Gäste
hatten sich alle eingefunden, futterten sich durchs Buffet und feierten ausgelassen. Die
Zubereitung der Nachspeise dauerte bekanntlich länger als geplant.
Als er mit seiner kulinarischen Köstlichkeit auftauchte, gab es
einen Riesenaufstand und Horst wurde des Hauses verwiesen. Bestimmt beschied man ihm: Pazifisten essen keine
Granatäpfel!
Noch bevor ich nun mein "Oh das tut mir aber leid, das wusste ich
nicht" mit der nötigen Anteilnahme zu Ende sprechen konnte,
knallte er den Hörer auf die Gabel und ich vernahm das
Freizeichen. Das Jahr fing ja gut an.
*******
Alles erfunden, erstunken und erlogen. Es gibt natürlich keine
Freizeichen und es werden auch keine Hörer auf irgendwelche Gabeln geknallt - keine Bange.
Frohes 2016
*******
D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h
(322/39)
ö
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