Auch wenn das nicht von all meinen Mitmenschen nachvollzogen werden
kann, aber ich kann dem Warten auf
einen Zug auf einem Bahnsteig Vorteile abringen und gestärkt aus
der - von anderen als lästig empfundenen - Situation hervor gehen.
Anstatt nämlich dort dumm herum zu stehen und Gott die Zeit zu
stehlen, zähle ich zum Beispiel die Kippen im Gleis oder
überprüfe die Netzkarte der Nahverkehrsmittel und finde
darauf die absonderlichsten Orte.
Auf der Netzkarte vom RMV (Rhein Main Verkehrsverbund), ist irgendwo
unten rechts, in der Nähe von der Frankfurter Stadtgrenze mit
Offenbach ein Monte Scherbelino
verzeichnet. Der Kartografischen Schraffur nach zu urteilen, befindet
sich dieser Monte Scherbelino südlich von einem grossen
Waldstück, welches von Schnellstrasse und Autobahn umschlossen
wird. Das Gebiet in und um Frankfurt hat sich bis anhin als eher flach
und berglos gestaltet, also kann es sich höchstens um ein Hügeli handeln. Meine Neugier
ist jäh aufgeweckt. "Monte Scherbelino ich komme, dich knöpfe
ich mir vor"! Ich will herausfinden was dieser deutschitalienische Name
zu bedeuten hat.
Mit dem 50er Bus fahre ich an den Stadtrand und dann zu Fuss weiter
durch den Wald, der Orientierung zuarbeitend, entlang der
Schnellstrasse Richtung Offenbacher Kreuz. Als Naherholungszone wird
der Wald auf Holzschilder angepriesen. Tatsächlich ist der Forst
höchstens eine Beinaherholungszone. Die Waldesruhe wird getragen von dem
stetigen Lärmband das von den beschriebenen Strassensträngen
verursacht wird, ehrlich gesagt geht sie ein wenig unter. Der
Störgeräusche nicht genug, fliegen doch zusätzlich im
Minutentakt die Langstreckenkraniche der Landebahnen des nahen Fraport
entgegen.
Der Wald ist - wen wundert es - beinahe menschenleer. Ein beklemmendes
Gefühl verfolgt mich auf meiner Wanderung. Es veranlasst mich
andauernd zurück zu blicken, um mich davon zu überzeugen,
nicht vom Axtmörder verfolgt
zu werden. Jeden Moment erwarte ich, auf eine abgenagte Menschenhand zu
stossen, oder über ein verschollenes Plutoniumfass zu stolpern.
Der Monte Scherbelino in der hintersten Ecke, ist eingepackt in ein
sichtdichtes Dickicht aus Gestrüpp und Bäumen. Der Zugang
wird mit einem drei Meter hohen Maschendraht verwehrt.
Unverrichteter Dinge trete ich den Rückweg an. Ich kehre noch in
die Sachsenhäuser Warte ein und verzehre Cordonbleu mit Bier.
Vom Herr Ober will ich wissen, ob es das Sachsenhäusersche
Henninger Bier noch gebe tue.
Der Ober sagt: "Nein mein Herr, das Henninger gibt es nicht mehr, das
gehört jetzt zur Radeberger Gruppe". "Aha"! entgegne ich erstaunt,
worauf er im Weggehen noch meint: "Die Herren sitzen übrigens
gerade da vorne in der Ecke".
So genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen.
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Mit der Frage, wie in diesen modernen Zeiten mit den verwirrlichen
Gefühlsregungen umzugehen ist, erfahrt ihr in meinem Comicblog .
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D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r . ç h