Letzte Nacht, schreckte ich schweissnass aus einem garstigen Traum auf und atmete asymmetrisch und schwer. Kurz darauf trat ich in meine zweite Lebenshälfte ein und schlief wieder ein.
Die kurze Zeitspanne meines Wachliegens, war durchzogen einer vagen
Ahnung des Älterwerdens. Nichts wirklich beunruhigendes - eine
einfache Ahnung dessen, was dieser Übertritt in die zweite
Lebenshälfte zu bedeuten hat. Instinktiv fasste ich mir an den
Kopf, um den Zustand meines Haupthaars zu prüfen. Zum Glück
war es in diesem Moment stockdunkle Nacht, so dass die
Schütterness meines Hauptes Lamenta, Zier und Pracht nicht in
Augenschein genommen werden musste. Ich stellte fest, dass sich
Haupthaare mit zunehmendem Alter, tatsächlich in den Riech- und
Hörhöhlen des Kopfes verkriechen. Welche Kraft sie
dorthin zieht gilt es herauszufinden. Laben sie sich dort an
selbstgebrannten Wassern aus vergorenen Erinnerungen? Scheuen sie
schlicht das Sonnenlicht? Ich wollte mich schleunigst mit dieser
Thematik auseinander setzen, allerdings nicht nächtens.
Wahrscheinlich haben amerikanische Forscher längstens...
Woher ich in dieser eingangs erwähnten kurzen Wachphase meiner
letzten Nacht die Gewissheit erlangte, die Hälfte meiner
Lebenszeit überschritten zu haben, weiss ich nicht. Das letzte
woran ich mich, bevor ich wieder einschlief erinnerte, war ein Gedanke
an den Wilden Westen. Als Bengel im Kindesalter stellte ich mir stets
vor, wie aufregend es gewesen sein musste, abends nach harter Arbeit
mit Lasso und Rinderherde, in die Stadt zu reiten, den verschwitzten
Gaul - auf dem man den ganzen Tag sass und durch die sengend heisse
Prärie ritt - am Baum vor dem Saloon festzubinden, in den Saloon
hineinzutreten und zum Geklimper eines schlecht gestimmten
Klavieres, am Tresen eine Vitamalzbier zu trinken. Das Zeug kannte
ich aus den Fix und Foxy und Silberpfeilheftchen, welche ich
damals im Schein einer Taschenlampe unter der Bettdecke verschlang.
Heute weiss ich, dass es in einem Wildwestsaloon meiner
Kinderträume gerochen haben muss, wie in einer ungewaschenen
Pferdeblase. Und zwar einer Blase eines Pferdes,
welchem man wegen Blähungen, das es sich durch den unerlaubten
Verzehr einer Lastwagenladung weissen Spargels, den Gnadenschuss geben
musste.
Das Fazit zur ersten Lebenshälfte aber dennoch: Erinnerungen und
bebilderte Druckerzeugnisse waren stets die besten Einschlafhilfen.
Erstere wie Zweitere veränderten sich zwar im Laufe der Jahre,
gepaart mit Dunkelheit und Taschenlampe jedoch unverbrüchlich
Freunde.
D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h (294/29)