Jetzt erinnere ich mich ganz genau, die beiden Männer – oder
besser – die beiden Opfer sind kurz vorher auf der Rampe, die auf das Perron
führt, an mir vorbei geeilt. Der mit der Baseballmütze zu meiner rechten Seite,
bemüht einen Papierbecher zu balancieren, dem, aus welchen Gründen auch immer,
der praktische Coffee to go Deckel fehlte. Der andere zog, einem Sattelschlepper
gleich, einen Rollkoffer hinter sich herziehend, hart backbord an mir vorbei.
Dadurch dass die Oberflächen dieser Rampen mit feinen
Betonrillen ausgerüstet sind, welche quer zur Laufrichtung der Reisenden
verlaufen (Ein zweifelhafter Versuch die Rutschgefahr zu verringern ?),
verursachte der Rollkoffer des Mannes ein ohrenbetäubendes Getöse: RRRRRRRRRRRRRRRR
In der Eile zog er zu guter Letzt sein Gerät etwas zu früh
wieder von der Überholspur rein auf die Normalspur, wobei mir das eine Rad fast
über den gerade ausschreitenden Fuss gerollt wäre – wäre es von minimal größerem
Durchmesser gewesen.
Ja ich erinnere mich jetzt sehr klar an die beiden Männer.
Ich ärgerte mich nämlich ausgebremst worden zu sein und forderte insgeheim eine
obligatorische Fahrprüfung für Rollkofferfahrer. Bevor ein Rollkoffer in
Verkehr gesetzt werden darf, müssten von den Probanden von Amtes wegen unendlich
viele Fragen zur Berechnungen von Brems- und Überholweg richtig beantwortet
werden.
Den einfahrenden Zug aus Genf nahm ich natürlich unterbewusst
wahr. Zuerst hörte ich die quietschenden Reifen des Perronfahrzeuges das mit
den Waren für den Speisewagen unterwegs gewesen sein musste und offenbar den
Weg der beiden Männer versperrte. Als ich aufsah sah ich gerade noch wie der
„Rollkoffer“ schreiend ins Gleis stolperte und sich dort an der, von der Perronkante
abgewandten Schiene das Genick brach. Dies noch bevor ihn der jetzt ebenfalls
bremsende und laut trompetende Doppelstöcker erwischte.
Der Coffee to go Mann geriet beinahe gleichzeitig in die
Flugbahn des schlingernden Anhängers des bremsenden Perronfahrzeuges, verlor
den Halt an der Perronkante, wurde vom Zug erfasst und noch für den
Restbremsweg mitgeschleift. Wäre ich nach meinen Einschätzungen über den
Verlauf des tragischen Ereignisses gefragt worden – was ich zum Glück nicht
wurde – hätte ich zu Protokoll gegeben, dass die beiden unmittelbar tot gewesen
sein mussten.
Freund Hein hatte ganze Arbeit geleistet. Die Einzelzeile
der beiden Männer lagen weit verstreut über das Gleisfeld und die angrenzenden
Perrons verteilt. Die Lokomotive, für welche ein Termin in der Waschanlage wahrscheinlich
erst für Freitag geplant war, musste umgehend nach den langwierigen
Untersuchungen der Polizei, dorthin gebracht worden sein.
Nachdem ich meine Gedanken etwas sortiert hatte – dies
dauerte, nach der durchwachten Nacht in der Sackgassbar (in der ich auf diesen
ersten Zug nach Hause gewartet hatte) verständlicherweise etwas länger – drehte
ich wieder um und nahm den Bummler auf Gleis 3.