Mein grosser Gartentag befindet sich jeweils in der ersten
Junihälfte. Nachdem ich die Sorge um die Gartenpflege weitgehend
delegiert habe, kümmern mich weder Schnecken noch Unkraut. Als
Rest bleibt mir einmal im Jahr durch den Himbeerhain zu kriechen und
das etwa zehn Quadratmeter grosse Beet von den Baumtropfpflanzen zu
befreien. Der Baumtropf (Aegopodium podagraria) ist ein spinatähnliches Blattgeflecht
welches den geliebten Himbeeren (Rubus idaeus) die Nährstoffe aus dem Boden nimmt
und den Nacktschnecken (Arion vulgaris) Schutz vor allzu greller Sonneneinstrahlung
bietet. Ihm beizukommen ist schier unmöglich, da seine
Wurzeln mindestens in die Magmakammern unserer Wohnkugel
hinabreichen. Versuche, das Kraut vom Wurzelwerk her zu dezimieren,
sind zeitaufwändig und schlugen seither alle fehl.
Verzweifelt entwickelte ich vergangenes Jahr, eine eigene,
zeitsparende Methode. Mit der Hoffnung, das Zeugs verrecke, riss
ich bloss die Blätter von den Stängeln und liess sie
liegen. Tatsächlich hatte ich für den Rest des Gartenjahres
meine Ruhe und die Himbeerstauden dankten mir für die Entlaubung
mit Früchten gross wie Tomaten(Solanum lycopersicum) Tauben (Columba palumbus) .
Euphorisch nach dem Erfolg vom letzten Jahr, zwänge ich mich
also wieder in mein Agent Orange Kostüm, rufe laut
"Baumtropfschreck und Schneck vereck!" und stürze mich wie Weiland
Tarzan in den Urwald. (Die Pflanze ist zäh und liess sich
offensichtlich durch mein vorjähriges Tun nicht im geringsten
beirren, denn sie spross erneut). Ein undurchdringbares Dickicht
verschlingt mich gänzlich und ich lange beherzt zu.
Gelegentlich frage ich mich warum man die Himbeere nicht sinnigerweise
Stachelbeere (Ribes grossularia) getauft hat und wozu ich dereinst eigentlich die teuren
Gartenhandschuhe gekauft habe. Damit sie untätig im Schuppen herum lungern und Gott den Tag zu stehlen? Wohl kaum.
Den Nachbar, welcher ängstlich in meinen Strauch hineinfragt, ob
alles in Ordnung wäre, verscheuche ich mit der Ansage, für
den Häuserkampf zu trainieren. Nach einer Weile spüre ich die
lästigen Ministacheln der versehentlich entwurzelten Himbeeren
nicht mehr - Der Tastsinn ist ertaubt, wird wohl kolabiert sein. Da wo ich ihn eben
noch vermutet habe, entsteht eine beängstigende Rötung. Davon
lasse ich mich allerdings nicht beirren, schliesslich komme ich gut
voran und das Ende (vom Beet ) ist nah. Den letzten Rest nehme ich in
blindem Aktionismus in Angriff und werde schliesslich von den wahren
Stachelbeerstauden jäh gebremst. Mit denen habe ich nicht mehr
gerechnet und mit einem lauten Schrei informiere ich die Nachbarn, dass
sich der Tastsinn wieder eingefunden hat.
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D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r .ç h (270)